Targetproteine - Definition:
Targetproteine sind Biomoleküle, die von Wirkstoffen adressiert werden. Dadurch wird ihre biologische Funktion gesteuert. Die Identifikation von Targetproteinen sowie deren Untersuchung im Rahmen von Signaltransduktionsprozessen und das Verständnis ihrer Wechselwirkungen mit Liganden sind zentrale Elemente moderner biomedizinischer Forschung. Dies betrifft neben der Molekularbiologie und der molekularen Pharmakologie insbesondere die pharmazeutischen Wissenschaften, da Targetproteine als Angriffsorte für Arzneistoffe genutzt werden. Targetproteine kontrollieren die Wirkung von Arzneistoffen, aber auch deren Kinetik im Organismus. Die Aufklärung von Struktur, Konformationsverhalten und Katalyseeigenschaften spezifischer Targetproteine ermöglichen ein rationales Design von Wirkstoffen und biotechnologischen Prozessen. Targetproteine stellen im Rahmen der Therapie mit „Biologicals“ aber auch selbst Arzneistoffe dar, deren Modifikation und Formulierung im Fokus der pharmazeutischen Wissenschaften stehen. Schließlich können Targetprotein-Induktor-Wechselwirkungen für biomolekulare Transkriptions-Schaltsysteme eingesetzt werden, um beispielsweise gentherapeutische Maßnahmen zu kontrollieren.
Identifikation von Targetproteinen
Targetprotein-Ligand-Wechselwirkungen
Targetproteine in der Signalleitung
Targetproteine der Wirkstoffkinetik
Targetproteine - Struktur und Katalyse
Targetproteinmodifikation und -formulierung
Identifikation von Targetproteinen:
Die Arbeitsgruppen des LS für Biochemie und Molekulare Medizin befassen sich mit der Aufklärung von in die neuronale Signalübertragung eingebundenen synaptischen Targetproteinkomplexen und deren Funktionsstörungen bei neurologischen Krankheiten. So konnte ein intrazellulärer Ca2+-Kanal als molekularer Komplexpartner des NMDA-Rezeptors identifiziert werden. Am LS für Pharmakologie und Toxikologie werden die molekularen Mechanismen der Erregungsbildung- und weiterleitung im Herzen sowie Struktur und Funktion verschiedener neuronaler Kationenkanäle untersucht. Molekulare Entstehungsmechanismen einzelner Zelltypen des Nervensystems und ihre Regulation durch Transkriptionsfaktoren stehen im Zentrum der Forschung des LS für Biochemie und Pathobiochemie. Der LS für Biochemie und Molekulare Medizin neuartige Proteinmarker, die für die Lebensmittelanalytik zur Überwachung der Lebensmittelsicherheit dienen. Lebensmittelinhaltsstoffe stellen Wirkstoffe dar, die nicht nur im gesunden Organismus wichtige Funktionen aufrecht erhalten, sondern auch den Verlauf zahlreicher Krankheiten beeinflussen, wobei die Wirkungen direkt oder indirekt über Proteininteraktionen vermittelt werden. Am Lehrstuhl für Lebensmittelchemie werden deshalb durch systematische Screeningverfahren physiologisch wirksame Komponenten, vor allem Zuckerabbauprodukte, in Lebensmittel identifiziert. Mit dieser Methode konnten zum Beispiel Strukturen identifiziert werden, die zur einer Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB führen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Aromastoffen und ihren Wechselwirkungen mit anderen Lebensmittelbestandteilen, bzw. Targetproteinen (Enzymen, Rezeptoren) im menschlichen Organismus.
Targetprotein-Ligand-Wechselwirkungen:
Um neuartige neurotrope
Wirkstoffe zu entdecken sowie die molekulare Funktion und
Lokalisation von Signalproteinen aufklären
zu können, werden am LS für Pharmazeutische Chemie
niedermolekulare Liganden gezielt
synthetisiert und in vitro auf ihre biologische
Aktivität untersucht. Als Target-Proteine werden
G-Protein gekoppelte
Neurorezeptoren, Tet-Repressoren
sowie Prionen adressiert. Folgende Schwerpunkte sind von besonderem
Interesse:
Design und Synthese neuartiger, subtypselektiver Dopaminrezeptor-Agonisten, Partialagonisten und -antagonisten als neuartige antipsychotische Wirkstoffe
Untersuchung molekularer Sonden zur Entwicklung spezifischer Radioliganden für PET und SPECT
Peptidische und nicht-peptidische Neurotensinrezeptoragonisten zur indirekten Kontrolle dopaminerger Systeme
Festphasen unterstützte Methoden und ihre Anwendung zur Entdeckung von GPCR-Liganden
Synthese neuartiger Tetracyclin-Repressorinduktoren
Entdeckung von Wirkstoffen zur spezifischen Behandlung Prion vermittelter Erkrankungen
Die Arbeitsgruppe aus dem Bereich der Organische Chemie fokussiert sich auf die Synthese von organischen Molekülen und deren Intermediaten, die als Liganden für die Untersuchung von Protein-Ligand-Wechselwirkungen relevant sind. Hierbei werden zwei unterschiedliche Anwendungsgebiete adressiert. Beim Screening nach neuen Liganden spielt die Entwicklung möglichst flexibler Synthesekonzepte, die sich in modularer Weise zur schnellen Herstellung von Ligand-Bibliotheken eignen, eine wichtige Rolle. Ziel ist hierbei der Aufbau einer Vielzahl von verwandten Verbindungen, die eine gewünschte „lead structure“ als gemeinsames wesentliches Strukturelement beinhalten. Erreicht wird dies über Synthesetechnologieplattformen, bei denen Schlüsselschritte einer (ggf. enantioselektiven) Synthese mit einer Vielzahl unterschiedlicher Vertreter einer Substratklasse in effizienter Weise verlaufen. Ein zweites Anwendungsgebiet liegt in der Entwicklung leistungsstarker Synthesemethoden für ausgewählte, in pharmazeutischen Studien identifizierter Ligand-„Hits“. Hierbei steht die Prozessentwicklung für ein bestimmtes Molekül (Ligand) im Vordergrund, bei der nun verfahrensrelevante Aspekte wie Umsatz, Enantiomerenüberschuss, Raum-Zeit-Ausbeute eine wichtige Position einnehmen. Ziel dieses Anwendungsgebiets ist die Bereitsstellung von ausreichenden Mengen (bis in den 10g-Maßstab) des ausgewählten Liganden für z.B. ausgedehntere pharmazeutische / präklinische Studien durch die jeweiligen pharmazeutischen / medizinischen Gruppen. Die Arbeitsgruppe Bioinformatik befasst sich mit der strukturellen Charakterisierung von Protein-Ligand Komplexen. Das wesentliche Ziel ist ein molekulares Verständnis der Faktoren, die die Affinität und Spezifität der entsprechenden Wechselwirkungen bedingen. In diesem Zusammenhang kommen Techniken wie Molekülmodellierung, Moleküldynamik-Simulationen und energetische Analysen zum Einsatz. Diese Methoden werden zum Beispiel verwendet um die Resistenzentwicklung der HIV-Protease gegen bestimmte Inhibitoren zu verstehen, oder um Wirkstoffe zu identifizieren, die die Aggregation des ß-Amyloids der Alzheimer’schen Erkrankung verhindern. Am LS für Pharmakologie und Toxikologie wird die Wechselwirkung von blockierenden Substanzen mit Schrittmacherkanälen durch Untersuchungen an heterolog exprimierten Kanälen analysiert.
Targetproteine in der Signalleitung:
Um
die Rolle von Targetproteinen
in der nukleären Signalleitung zu verstehen und
darauf aufbauend effiziente, von außen steuerbare
künstliche Signalstrukturen für die
Expressionssteuerung von beliebigen Targetproteinen zu
konstruieren, werden am LS für Mikrobiologie das
Kataboliten-Kontroll Protein CcpA und der Tet Repressor in ihren
Wirkungsweisen mechanistisch aufgeklärt.8 Mit der Methode der
gerichteten Evolution werden die Signalgeber für diese
Targetproteine in Zusammenarbeit mit dem LS für
Pharmazeutische Chemie variiert und ihre Interaktion mit den
Targetproteinen quantitativ bestimmt. Die von den Signalgebern
ausgelösten Strukturänderungen der
Targetproteine werden biophysikalisch bestimmt und gewünschte
Eigenschaften zur Konstruktion von transgenen
Krankheitsmodellen ausgenutzt. Dabei steht vor allem die
Tetrazyklin-abhängige Genregulation im Vordergrund.
Transkriptionsfaktoren als Targetproteine werden auch am LS
für Biochemie und Pathobiochemie untersucht. Hier stehen
Sox-Proteine im Mittelpunkt, deren molekulare Wirkweise als
nukleäre signalleitende Regulatoren der
Nervensystem-Entwicklung samt ihrer Interaktoren und Zielstrukturen
biochemisch, molekularbiologisch und im transgenen Tiermodell
analysiert werden. In der Arbeitsgruppe Bioinformatik werde neben der
Modellierung von Protein-Protein Komplexen computergestützte
Methoden zur Vorhersage neuer Proteininteraktionen entwickelt und diese
bereits zur Untersuchung verschiedener Signalwege eingesetzt. Ein
besonderer Fokus liegt dabei auf den Wechselwirkungen mikrobieller
Effektormoleküle, die gezielt in zelluläre Signalwege
eingreifen. In diesem Zusammenhang werden beispielsweise die
zellulären Interaktionspartner viraler
Effektormoleküle vorhergesagt und die entsprechenden
Proteinkomplexe modelliert. Der Forschungsschwerpunkt des Instituts
für Zelluläre
und Molekulare Physiologie (LS Vegetative Physiologie) liegt auf dem
Gebiet renaler und kardialer Ionenkanäle und deren Regulation
durch assoziierte Proteine. Diese Targetstrukturen sind von
pathophysiologischer Relevanz, da eine gestörte Regulation
renaler und kardialer Ionenkanäle beispielsweise eine wichtige
Rolle bei der Entstehung des arteriellen Bluthochdrucks beziehungsweise
als Ursache von Herzrhythmusstörungen spielt. Die Rolle
verschiedener
Ionenkanäle in der Signaltansduktion
von Sinusknotenzellen und Neuronen wird durch die Herstellung und
Analyse entsprechend gen-modifizierter transgener Mäuse
untersucht (LS für Pharmakologie und Toxikologie).
Die beiteiligte Gruppe für Anorganische Chemie bearbeitet
bioanorganische Modell-Komplexe für Zink-Peptidasen (z.B. dem
Angiotensin Converting Enzyme) und nicht-Häm Eisen-Oxygenasen
(z.B. Prolyl-Hydroxylasen und 4-Hydroxyphenylpyruvat-Dioxygenasen).
Neben mechanistischen Studien wird die Koordination verschiedener
Enzym-Inhibitoren mittels Eisen- bzw. Zink-bindender Gruppen (ZBGs)
untersucht. In Kooperation mit externen radiochemischen Arbeitsgruppen
werden zudem Komplex-Liganden für 99mTc-Radiodiagnostika
entwickelt.
Targetproteine der Wirkstoffkinetik
(Arzneimittel-metabolisierende Enzyme und Transporter), die die Konzentrationen von Arzneimitteln am Wirkort und damit deren Wirkungen beeinflussen, werden am LS für Klinische Pharmakologie und Klinische Toxikologie untersucht. Mit Verfahren der Pharmakogenomik wird erforscht, wie genetische Variabilität die Protein-Ligand-Wechselwirkung und damit die Arzneimittelwirkung beeinflußt. Mit hochauflösenden proteinchemischen Methoden untersucht der LS für Biochemie und Molekulare Medizin den Aufbau der Interaktionsdomänen krankheitsrelevanter Neurotransmitterrezeptoren, insbesondere von Glycin- und Glutamat-Rezeptoren, und deren Veränderungen bei hereditären Krankheiten des ZNS.
Targetproteine - Struktur und Katalyse
Am Lehrstuhl Pharmazeutische
Biologie werden Enzyme des speziellen Stoffwechsels der Pflanzen
identifiziert, isoliert, rekombinant exprimiert, charakterisiert und in
Struktur und Funktion aufgeklärt. Durch gerichtete Mutagenese
werden Enzyme in ihren katalytischen Eigenschaften verändert.
Ziel ist die Anwendung von Enzymen, Muteinen und den für sie
codierenden Genen in Pharmazie (Pflanzenbiotechnologie) und Chemie
(Katalyse).
Targetproteinmodifikation und -formulierung:
Proteinveränderungen, die bei der Behandlung von Lebensmitteln, aber auch in vivo unter pathologischen Bedingungen entstehen, stellen einen wichtigen Forschungsschwerpunkt am LS für Lebensmittelchemie dar. Chemische Veränderungen werden durch moderne (bio-)analytische Methoden sequenzspezifisch identifiziert und quantifiziert. Anschließend werden strukturelle und funktionelle Konsequenzen der Proteinmodifikationen, wie zum Beispiel Änderungen der Rezeptorbindungseigenschaften untersucht. Am LS für Pharmazeutische Technologie werden Strukturveränderungen von Proteinen, die bei der physikalisch-chemischen bzw. technischen Behandlung auftreten, quantitativ ermittelt und die Partikelbildung von Proteinen zur nadelfreien parenteralen Anwendung erforscht.